Was uns antreibt, die Eulenburg mit Leben zu erfüllen
(Artikel von Michael Paetzold, am 13.02.2018 im HARZKURIER)
Gudrun und Rolf Grönig haben die Herausforderung angenommen und bewirtschaften die historische Eulenburg in Osterode.
Es sind 36 Gebäude auf einer Fläche von zehn Hektar, alle geschichtsträchtig und denkmalgeschützt, das Vermächtnis einer alten in Osterode ansässigen Unternehmerfamilie. Und es ist ein Glücksfall, dass die sogenannte Eulenburg nach 185 Jahren überhaupt noch steht und sich in dieser baulichen Geschlossenheit erhalten hat. Sie steht heute für ein Unternehmertum, wie es im alten Wirtschaftsstandort Osterode besonders ausgeprägt war.
Foto: Mark Härtl
Wie der Erhalt und der Betrieb einer solchen Anlage funktionieren kann, zeigen die Geschäftsführer Rolf Grönig und Ehefrau Gudrun. Es sei schon eine Herkulesaufgabe, räumen die beiden ein und beschreiben es als eine Herausforderung, den Familienbesitz, eine alte Fabrikanlage aus dem 19. Jahrhundert, in die neue Zeit zu führen und mit Leben zu erfüllen.
„Wir liegen hier in unmittelbarer Innenstadtnähe und sind dennoch absolut im Grünen.“
Rolf Grönig, Geschäftsführer der Eulenburg Gründung 1832
Den Grundstein für die Textilfabrik im Sösetal wurde im Jahr 1832 durch die Unternehmer Ludwig Greve und Eduard Uhl gelegt, denen die Eulenburg ihren Namen verdankt. Das Unternehmen entwickelte sich zur bedeutendsten Textilfabrik in Osterode, in seiner Blüte arbeiteten hier 400 Menschen. Die produzierten Kamelhaardecken mit dem typischen Mäanderband gingen in die ganze Welt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Waldemar Uhl das Unternehmen zunächst erfolgreich weiter. Doch mit dem Niedergang der deutschen Textilwirtschaft musste die Produktion in den 60er Jahren eingestellt werden. Dennoch gelang es ihm und seit 1996 seiner Schwester Irmgard Grönig, das unter ihrer Führung unter Denkmalschutz gestellte Ensemble zu erhalten.
Seit mehr als 50 Jahren besteht parallel auf dem Gelände der Campingplatz, auch heute noch ein wichtiges wirtschaftliches Standbein des Unternehmens.
Inhaber Rolf Grönig (64), ehemaliger VW-Manager, der die Anlage zunächst mit seinem Bruder Manfred und seiner Mutter Irmgard leitete und das Anwesen nach deren Tod im Alter von 93 Jahren 2016 und dem vorherigen Ausscheiden des Bruders (2009) übernahm, ist ein Mann der Tat und irgendwie auch ein Visionär. Die Ideen gehen ihm nie aus, zum Glück, denn Kreativität ist überlebenswichtig.
Der Campingplatz mit eigenem Schwimmbad läuft heute gut: Waren es vor zehn Jahren noch 1000 Gäste, zählte man 2016 schon über 6000, die 16 700 Übernachtungen brachten, 65 Jahrescamper-Parteien nicht mit eingerechnet. Zusammen mit dem Heu- und Campinghotel im neu gedeckten Haupthaus kommt der Unternehmer auf rund 30 000 Übernachtungen. „Das ist schon eine Hausnummer im Tourismussektor in Osterode“, meint er. Grönig ist Vorsitzender des Vereins für Tourismus- und Marketing in Osterode (Vtm).
Wir sitzen im Gastraum der kleinen Wirtschaft am Campingplatz. Wie geschaffen ist die Anlage mitten im Wald mit direkter Anbindung in Richtung Göttingen und an die A 7 sowie in den Oberharz für Veranstaltungen aller Art. Die Eulenburg ist zentraler Ausgangspunkt für viele Aktivitäten, liegt sie doch direkt am stark frequentierten Harzer Hexenstieg, am Baudensteig und Försterstieg unmittelbar am Harz, einem Dorado für Mountainbiker, Motorradfahrer und Wanderer.
Deshalb haben die Grönigs vor allem die Themen Freizeit, Erholung und Natur für sich entdeckt: „Wir liegen hier in unmittelbarer Innenstadtnähe und sind dennoch absolut im Grünen“, schwärmt Rolf Grönig, man werde zunehmend als Naherholungsort wahrgenommen. Zweimal war hier der Oxfam Trailwalker zu Gast, es gibt Sportevents, internationale Jugendbegegnungen, die Feuerwehrjugend oder das THW kommen hier zu ihren jährlichen Treffen zusammen: „Uns macht das einen Riesenspaß,“ erklärt das Unternehmerehepaar. Der tägliche Austausch mit den Besuchern des Campingplatzes, bei Jazzkonzerten oder Familientreffen sei befruchtend und biete große Lebensqualität.
Es sind vor allem die zahlreichen historischen Gebäude, deren Unterhalt und Nutzung Gudrun und Rolf Grönig vor einige Herausforderungen stellen.
Inzwischen halfen unter anderem das Land Niedersachsen, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und die Sparkassenstiftung finanziell beim Anstrich von 1 400 Quadratmeter Gebäudefassade, der Instandsetzung von zahlreichen Fenstern und der Dachsanierungen.
Seit langem schon beherbergt ein ehemaliges Arbeitergebäude elf durchsanierte Mietwohnungen. Insgesamt gibt es auf der Eulenburg 12 gewerbliche Mieter, darunter ein modernes Bowlingcenter in einer ehemaligen Fabrikhalle, das sich bestens etabliert hat, und eine Galerie. Vorgehalten werden der Probenraum für eine Musikband, Werkstätten und anderes im Bereich Kunst und Kultur mehr.
Erfolgversprechend ist derzeit der Start der sogenannten Harzer Wassermanufaktur, die Wasser mit Tiefenwasserqualität aus dem betriebseigenen Brunnen fördert, veredelt und vermarktet. An vermietbarer Fläche stehen auf der Eulenburg etwa 8 600 Quadratmeter zur Verfügung. „Da muss man immer wieder neue Ideen entwickeln, um zu großen Leerstand zu vermeiden“, erklärt Grönig.
Als Hemmschuh allerdings empfindet er dabei die überbordende Bürokratie: „Wir haben bei jedem Vorhaben mit immer neuen Auflagen zu kämpfen. Das macht das Wirtschaften auf allen Ebenen schwer“, lautet seine Kritik. Insgesamt arbeiten in der Spitze bis zu 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Eulenburg.
Gudrun und Rolf Grönig blicken bei allen komplexen Aufgabenstellungen optimistisch die Zukunft: „Wir wollen natürlich das Familienerbe erhalten und dieses wertvolle Industriedenkmal unter dem Freizeitaspekt für die Zukunft fit machen.“
Unter welchem Label die Eulenburg letztendlich firmiert, ist derzeit noch nicht entschieden. Zur Auswahl stehen „Freizeitinsel“ oder „Freizeitfabrik“. Eigentlich passt beides.
Anmerkung:
Rolf Grönig ist seit Mai 2018 nicht mehr 1. Vorsitzender des VTM Osterode am Harz.